Das Eschentriebsterben und seine Auswirkungen auf die Artenvielfalt
Eschenreiche Wälder gehören zu den artenreichsten Waldökosystemen Deutschlands. Sie bieten unter anderem Lebensraum für eine Vielzahl von Pilz-Verantwortungs- und Rote-Liste Arten, aber auch viele gefährdete Gefäßpflanzenarten sind dort zu Hause. Aktuell sind viele dieser Lebensgemeinschaften durch das Eschentriebsterben bedroht. Die Krankheit wurde in Europa erstmals Anfang der 1990er Jahre in Polen beobachtet.
Das durch den Schlauchpilz Hymenoscyphus fraxineus (Synonym: H. pseudoalbidus) ausgelöste Absterben von Eschen jeden Alters hat sich in den letzten Jahren von Nordost- und Nord- über Mitteleuropa bis nach Westeuropa stark ausgebreitet. Seit 2002 wurden in Deutschland Schäden an Fraxinus excelsior verstärkt beobachtet. Inzwischen hat sich das Eschentriebsterben im gesamten Bundesgebiet ausgebreitet, wobei der Befall im Norddeutschen Raum am weitesten vorangeschritten ist. Aufgrund des Absterbens und Zusammenbrechens der Esche (plötzliche Verlichtung, Eutrophierung), aber auch aufgrund forstlicher Maßnahmen (Entnahme von Esche, Befahren, Bodenbearbeitung, Anlage von Kulturen) verändern sich die Standorte rapide und laufen Gefahr, für die bedrohten Arten als Lebensraum vollständig verlorenzugehen.
Im Umfeld alter Eschen wurden in Schleswig-Holstein bisher fast 800 Großpilzarten nachgewiesen, darunter viele Verantwortungs- und wertgebende Arten. Insofern können Alteschen und ihre Umgebung bei geeigneten Bodenbedingungen und langer Standortkontinuität oft als „Hotspots der Pilzartenvielfalt“ bezeichnet werden.
Insgesamt 29 Pilz-Verantwortungsarten in Deutschland sind vom Eschentriebsterben direkt oder indirekt betroffen, darunter insbesondere die Gruppe der „biotroph-endophytisch“ lebenden Pilzarten (CHEGD-Arten), die in Untersuchungen zur Auswirkung des Eschentriebsterbens bislang nicht beachtet wurden. Diese Pilze leben teilweise im Gewebe von Pflanzen und versorgen diese im Gegenzug mit Nährstoffen, insbesondere mit Phosphor.
Anzunehmen ist, dass diese Symbiose nicht nur eine große Rolle bei der Nährstoffversorgung der Esche spielt, sondern auch für seltene Gefäßpflanzen und Moose und damit als ein Schlüsselfaktor für die Biodiversität dieser Lebensräume relevant ist. Auch viele Ektomykorrhizabildner der Esche, wie verschiedene Morchel- und Lorchelarten, gehen seit dem Beginn des Eschentriebsterbens stark zurück (Lüderitz 2017, s. link). Ein Rückgang und das Verschwinden dieser Pilzarten im Zuge des Eschensterbens wäre somit nicht nur für die Mykodiversität als dramatisch zu bezeichnen, sondern wirkt sich unter Umständen auf das gesamte trophische Netzwerk des Waldökosystems aus.
Viele gefährdete Gefäßpflanzenarten sind eng an eschendominierte Waldlebensräume gebunden, wie die Orchideenarten Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha), Prächtiges Knabenkraut (Orchis mascula) und Fuchs Knabenkraut (Dactylorhiza fuchsii), der Wiesen-Schachtelhalm (Equisetum pratense), die Einbeere (Paris quadrifolia) und viele andere. Auch die „Verantwortungs-Art“ Scheidiger Gelbstern (Gagea spathacea) besitzt einen deutlichen Schwerpunkt in eschenreichen Wäldern. Mit dem fortschreitenden Ausfall der Esche und ihrer Pilzpartner verändern sich die Lebensräume zugunsten hochwüchsiger nitrophytischer Pflanzengemeinschaften, und konkurrenzschwächere Arten verschwinden.
Auswahl von pilzlichen Verantwortungsarten, die an Eschenwälder gebunden sind
Das Projekt FraDiv: Bedeutung des Eschentriebsterbens für die Biodiversität von Wäldern und Strategien zu ihrer Erhaltung
Dieses Projekt der Universität Kiel (Leitung: Alexandra Erfmeier und Joachim Schrautzer) wurde im Februar 2019 begonnen und wird vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) sowie dem Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung in Schleswig-Holstein (MELUND) gefördert.
FraDiv untersucht vier Themenschwerpunkte zum Eschentriebsterben mit folgenden Fragestellungen:
- Auswirkungen des Eschentriebsterbens auf die Biozönose: Wie wirkt sich das Ausmaß des Eschentriebsterbens auf das Vorkommen und die Vitalität der direkt und indirekt an die Esche gebundenen Pilzarten und der pflanzlichen Biodiversität der Eschenstandorte aus?
- Analyse der Befallssituation und der Verjüngung von Eschenpopulationen in Bezug auf die Biodiversität der Bestände: Welche Bedeutung hat die Wald- bzw. Standortkontinuität für die Ausprägung des Eschentriebsterbens und das Vorkommen der Eschen-assoziierten Pilzarten, und welchen Einfluss haben biotische und abiotische Faktoren auf die Anfälligkeit adulter und junger Eschen?
- Etablierung von Eschen-Jungpflanzen: Inwieweit spielen abiotische Faktoren sowie die Jungwuchs-Herkunft eine Rolle für den Etablierungserfolg von Eschen-Jungwuchs?
- Entwicklung waldbaulicher Maßnahmen unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten: Welche alternativen Baumartenmischungen sind geeignet, um die negativen Auswirkungen des Eschen-Ausfalls auf die Biozönosen zu minimieren?
Hierfür wird ein umfangreiches Set an Untersuchungsflächen in ganz Schleswig-Holstein untersucht. Auf Waldflächen der Praxispartner Forstbetriebsgemeinschaft Eckernförde und Herzoglich-Oldenburgische Forstverwaltung finden zudem Pflanzexperimente statt.
Das geförderte Projekt beruht auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Forschung und forstlicher Praxis, so dass wissenschaftliche Befunde unmittelbar in naturschutzfachliches Handeln übertragen und hinsichtlich ihrer Erfolgschancen kontrolliert werden können. Kooperationspartner des Projektes sind neben der AG Geobotanik das LLUR, die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten, der Stadtwald Kiel, die Schrobach-Stiftung und die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein.
BfN Projektsteckbrief
FraDiv Praxisbeispiele: Die Demonstrations- und Referenzflächen bei der Herzoglich-Oldenburgischen Forstverwaltung und der Forstbetriebsgemeinschaft Eckernförde
Bei der Herzoglich-Oldenburgischen Forstverwaltung wurden durch das Eschentriebsterben geschädigte Eschenwaldflächen zu Demonstrationszwecken ausgewählt. Sie zeichnen sich durch eine hohe Artenvielfalt, eine vielfältige Baumartenmischung oder das Vorhandensein noch vitaler oder zumindest subvitaler Alt-Eschen aus. Die Schädigung erfordert waldbauliche Maßnahmen. Diese Maßnahmen werden naturschutzfachlich begleitet und gewichtet. Ein Ziel ist die eschenspezifische Biodiversität zu erhalten. So wird zum Beispiel das noch vorhandene oder anfallende Totholz der Eschen als Quelle der Biodiversität erhalten und nicht entnommen. Auf einem Teil der Flächen, auf denen die Esche größtenteils inzwischen ausgefallen ist, werden Ersatzbaumarten gepflanzt oder deren Naturverjüngung gefördert, von denen angenommen wird, dass sie ebenfalls für die mykologische Diversität von großer Bedeutung sind (Flatterulme, Spitz-, und Bergahorn, Vogelkirsche, Winterlinde, Hainbuche, Stieleiche und Schwarzerle).
Im weiteren Verlauf des Projektes werden in den Partnerbetrieben Referenzflächen ausgewählt, auf denen für 30 Jahre eine natürliche Entwicklung zugelassen wird.
Darüber hinaus werden für die Biodiversität besonders wertvolle alte Eschen (vital oder als stehendes Totholz), Ulmen, Ahorne und Buchen aus der Nutzung genommen.
Der Beitrag der AG Geobotanik zu den Projekt FraDiv
Die über Jahrzehnte gesammelten Daten der AG Geobotanik bilden eine wichtige Grundlage bei der Auswahl der Untersuchungsflächen. Insbesondere sind hier die mykologischen Daten der AG Mykologie
in der AG Geobotanik zu nennen, aber auch die Gefäßpflanzen-Datenbank wurde hierfür ausgewertet. FraDiv profitiert außerordentlich von diesen Daten. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie die in langjähriger mühevoller Arbeit durch haupt- und ehrenamtliche KartiererInnen gesammelten Daten in wissenschaftlichen Projekten genutzt werden.
Seit 2010 werden in der durch das Land Schleswig-Holstein geförderten Projektreihe „Hotspots der Artenvielfalt“ artenreiche Wälder mykologisch und botanisch untersucht, was zu einem guten landesweiten Überblick über Pilz- und Gefäßpflanzenarten-Hotspots in Wäldern Schleswig-Holsteins geführt hat. Dieses Wissen kommt nun dem Projekt FraDiv zu Gute.
Gefäßpflanzen-Steckbriefe Waldpflanzen
Text: Katrin Romahn